Im März finden in der Ukraine Parlamentswahlen statt und den Umfragen zufolge versprechen alle in Fragen kommenden Präsidentschaftskandidaten, die Revolution von 2014, die die Ukraine zum Westen hin öffnete, fortzusetzen.
Im Februar 2014 versammelten sich Tausende von Ukrainern auf dem Platz der Unabhängigkeit von Kiew, um für einen Wandel zu demonstrieren. Sie forderten ein engeres Verhältnis zu Europa, mehr wirtschaftliche Chancen, einen korruptionsfreien Staat sowie die Unabhängigkeit von Russland.
Die Demonstrationen führten zum Sturz der mit Russland sympathisierenden Regierung und zu Neuwahlen, die Petro Poroschenko, ein Geschäftsmann, der für eine bessere Integration in die Europäische Gemeinschaft plädierte, gewann. Dennoch besetzte und annektierte Russland auf illegale Weise Teile der Ukraine.
„Die Ukraine traf die souveräne Entscheidung, nach eigenen Regeln zu leben und auf der Grundlage demokratischer Werte und Gesetze für eine freie Welt einzutreten“, erklärte Präsident Poroschenko bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Jahr 2018. „Russland bestraft die Ukraine für diese Entscheidung.“
Trotz der Reaktion ihres mächtigen Nachbarlandes hält die Ukraine weiterhin an ihrem Vorhaben fest, eine bessere Zukunft für das Land zu schaffen.
Bis heute hat dieser Wandel viele Aspekte des Lebens in der Ukraine wie auch die Wirtschaft und Investitionen sichtlich verbessert. 2012 befand sich die Ukraine noch auf Platz 152 der Weltbank-Rangliste der „wirtschaftsfreundlichen“ Staaten, heute nimmt sie bereits den 71. Platz ein.
„Am meisten beeindruckt die neue Offenheit eines Landes, das einst relativ korrupt gewesen ist“, äußerte Alexander Markus, Vorsitzender der 2016 gegründeten Deutsch-Ukrainischen Handelskammer.
2014 schloss die Ukraine ein Assoziierungsabkommen mit der EU, das die Einführung einer Freihandelszone und die Befreiung der Visumspflicht für Ukrainer in Europa beinhaltete.
„Für ein engeres Verhältnis mit der EU haben Menschen ihr Leben geopfert. Das werden wir nie vergessen“, so der damalige Präsident des Europäischen Rates Herman Van Rompuy bei der Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens.
Im Zuge des Wandels der Ukraine hat sich sogar die Orthodoxe Kirche der Ukraine Anfang des Jahres offiziell von Moskau getrennt und damit eine über vierhundert Jahre währende Verbindung aufgelöst.
Vergangenen Herbst stimmte die große Mehrheit der ukrainischen Unterhausabgeordneten für Verfassungsänderungen zur Unterstützung der westlichen Ausrichtung der Ukraine. Laut Poroschenko wird dieses Gesetz „die ukrainische Regierung – ich betone: alle Regierungen und Behörden – dazu zwingen, den Beitritt der Ukraine in die EU und in die NATO sicherzustellen.“ Die Verfassungsänderungen wurden vom Verfassungsgericht gebilligt, und Poroschenko geht davon aus, dass sie noch im Frühjahr in Kraft treten werden.
Kiew
Petro
Poroschenko
2.639,80 $ (Schätzung 2017)
603.628 km² (größtes Land Europas)
44 Millionen
(Schätzung Juli 2017)
Obwohl das weit reichende Reformprogramm der Ukraine nicht überall auf Zustimmung stößt, wurde es dennoch zügig umgesetzt. Sowohl die Regierung als auch unabhängige Organisationen bestätigen, dass ab 2014 mehr politische Kursänderungen stattgefunden haben als in all den Jahren seit der Unabhängigkeit des Landes von der UdSSR.
„Wir schaffen das Fundament für einen neuen Staat. Im Grunde bauen wir gerade die neue Ukraine auf“, erklärte Premierminister Volodymyr Groysman.
Die Reformen verfolgen fünf Hauptziele: Wirtschaftswachstum, einen effizienten Staat, Humankapitalentwicklung, Kampf gegen die Korruption und Sicherheit. Es wurde bereits eine Vielzahl von Veränderungen wie ein Gesetz zur Schaffung eines Gerichtshofes zur Korruptionsbekämpfung eingeführt. Außerdem wurden mehr als 600 Richtlinien aufgehoben, Reformen zu Energie, Steuern, Pensionen und Dezentralisierung sowie ein neues Privatisierungsgesetz verabschiedet, welches den Verkauf der 3.500 staatlichen Unternehmen der Ukraine vereinfacht. „Es stehen jedoch noch mehr Veränderungen an. Selbst kurz vor den Wahlen unternehmen wir noch viel, um Richtlinien und Regelungen zu ändern“, so Yuliya Kovaliv, Amtsleiterin des Nationalen Investitionsrats der Ukraine.
Internationale Partner wie Deutschland, der IWF und die EU haben der ukrainischen Regierung zu den Fortschritten beglückwünscht und wesentliche Unterstützung geleistet, aber auch darauf hingewiesen, dass noch viel zu tun bleibe. „Die ukrainischen Behörden implementieren derzeit schwierige, aber lohnende Reformen unter herausfordernden Rahmenbedingungen. Die Bevölkerung der Ukraine profitiert in klarer Weise von den Resultaten“, wie aus einem Bericht der EU-Kommission von November 2018 hervorgeht.
Volodymyr Groysman wurde 2016 zum jüngsten und ersten jüdischen Premierminister der Ukraine gewählt. Bis heute gilt er aufgrund seiner Reformbemühungen und globalen Diplomatie als Wegbereiter.
Wie würden Sie das Verhältnis zwischen der Ukraine und Deutschland beschreiben?
Als Russland in die Ukraine einmarschierte, war die Wirtschaft des Landes schwach und instabil. Zu diesem Zeitpunkt wurden wir jedoch stark von Deutschland und insbesondere von Kanzlerin Angela Merkel persönlich unterstützt. Deutschland ist sowohl in politischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht ein wichtiger Partner für uns. Nach der Krise im Jahr 2014 orientierten sich die ukrainischen Produzenten erfolgreich um und wandten sich neuen Märkten wie der EU und Deutschland zu. Deshalb ist Deutschland jetzt unser bedeutendster Handelspartner in Europa und der zweitwichtigste weltweit. Die Ukraine ist ein zuverlässiger Partner. Wir bewegen uns in die richtige Richtung, indem wir für Demokratie eintreten und gegen Aggression ankämpfen. Unser Land tut dies nicht nur für sich selbs sondern auch für die restliche demokratische Welt. Deutschland gilt als führend in der demokratischen Welt. Deshalb kämpfen wir gemeinsam und werden auch gemeinsam zum Sieg gelangen.
Wo bieten sich deutschen Investoren in der Ukraine die besten Chancen?
Im Bereich der Produktion von Automobilkomponenten sind wir ein ernst zu nehmender Partner. Auch unser Agrarsektor und die Energiesektoren sind attraktiv für Investitionen. Ich wünsche mir, dass diese Investitionen erfolgreich verlaufen und beidseitigen Nutzen bringen. Deshalb arbeiten wir aktuell daran, einen günstigen wirtschaftlichen Rahmen dafür zu schaffen. Wir durchleben momentan einen Wandlungsprozess. Unsere Standards, Trends und unsere Ausrichtung sind jedoch allesamt proeuropäisch. Das bedeutet, dass sich Kapitalgebern aus Europa jedes Jahr mehr Chancen bieten werden.
Welche Reform macht Sie am meisten stolz?
Die Dezentralisierung. Durch sie konnten wir neue Horizonte für die Entwicklung unserer Gemeinden eröffnen. Gemeinden, die fast ausgestorben waren, leben nun wieder auf.
Als unter der Bevölkerung der Ruf nach mehr Demokratie im Land laut wurde, reagierte Russland aggressiv und Deutschland wurde zum entscheidenden Partner.
Aus gutem Grund bezeichnete der ukrainische Präsident Petro Poroschenko Deutschland als einen der „engsten Verbündeten“ der Ukraine. Im Laufe der Jahre hat er sich zu mehr als einem Dutzend Anlässen mit Kanzlerin Angela Merkel getroffen, um dringende Fragen zur Sicherheit und Entwicklung Europas zu diskutieren.
Deutschland hat seine weltweit führende Position genutzt, um für die Unabhängigkeit der Ukraine und ihre Integration in den Westen einzutreten. Auch beim Abkommen über eine vertiefte und umfassende Freihandelszone der Ukraine mit der EU, sowie bei der fortwährenden Unterstützung der Ukraine seitens der NATO und den Sanktionen Russland gegenüber hat Deutschland eine bedeutende Rolle gespielt. 2015 war Deutschland während des Konflikts in der Ostukraine als eine der vier unterzeichnenden Nationen beim Minsker Abkommen federführend tätig.
Mit Investitionen in Höhe von 1,8 Milliarden Dollar im Jahr 2017 gelten Deutschland und die Unternehmen des Landes inzwischen als wichtigste Investoren in der Ukraine. Der bilaterale Handel ist um etwa 20 % gestiegen und die deutsche Regierung hat seit 2014 etwa 550 Millionen Dollar € investiert, um die Entwicklung der Ukraine zu unterstützen.
Auf geopolitischer Ebene, wo die Demokratie gegen den Autoritarismus Russlands ankämpft, wird das aktuelle Geschehen in der Ukraine weitreichende Auswirkungen auf das Gleichgewicht des Machteinflusses in Europa nach sich ziehen. Insofern wird die Ukraine von der deutschen Regierungskoalition ausdrücklich als außenpolitische Frage priorisiert. „Wir werden die Ukraine bei der Wiederherstellung voller territorialer Integrität sowie der Stärkung der Stabilität und gesellschaftlicher Fortentwicklung engagiert unterstützen“, ist im Koalitionsvertrag der Bundesregierung aus dem Jahr 2018 zu lesen. Dort wird außerdem betont, dass Deutschland bereit sei, die Sanktionen gegenüber Russland zu lockern, sollte das Land die Vereinbarungen des Minsker Abkommens erfüllen.
Nachdem die Ukraine aufgrund des fortwährenden Konflikts mit Russland ihren wichtigsten Markt verloren hatte, suchte das Land umgehend nach neuen Zielen und vertiefte seine Handelsbeziehungen mit Europa mithilfe der DCFTA.
Da sich die Ukraine von Russland ab- und Europa zugewandt hatte, gilt die EU inzwischen als ihr größter Handelspartner und macht etwa 40 % ihres jährlichen Handels aus. Durch das staatliche Reformprogramm, das seit nunmehr vier Jahren in Kraft ist, sowie durch das vor drei Jahren geschlossene Abkommen über eine vertiefte und umfassende Freihandelszone (DCFTA) mit der EU ist die ukrainische Wirtschaft inzwischen gestärkt und verzeichnete kürzlich ihr elftes Wachstumsquartal in Folge.
Seit 2014, als die Wirtschaft des Landes nach der Revolution der Würde, der Annektierung der Krim durch Russland und dem Donbass-Krieg in die Knie gezwungen wurde, hat sich vieles getan.
„Beim russischen Einmarsch in die Ukraine war die Wirtschaft des Landes weder stark noch stabil. Zu diesem Zeitpunkt erhielten wir jedoch viel Unterstützung aus Deutschland und insbesondere durch Kanzlerin Angela Merkel persönlich. Deutschland ist sowohl in politischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht ein wichtiger Partner für uns“, erklärt der ukrainische Premierminister Volodymyr Groysman. „Nach der Krise im Jahr 2014 orientierten sich die ukrainischen Produzenten um und wandten sich nicht mehr den russischen, sondern anderen Märkten wie der EU und Deutschland zu. Deshalb ist Deutschland jetzt unser bedeutendster Handelspartner in Europa und der zweitwichtigste weltweit.
Heute intensivieren die Ukraine und Deutschland ihre Beziehungen im Bereich Handel und Technologietransfer und investieren mehr in Innovation. Die 2016 in Kiew gegründete Deutsch-Ukrainische Handelskammer (AHK Ukraine) unterstützt inzwischen etwa 2.000 deutsche Unternehmen aus verschiedenen Branchen, von der Leichtindustrie bis hin zur Landwirtschaft. Durch die Präsenz deutscher Firmen ist die Ukraine außerdem in der Lage, das europäische Abkommen über eine vertiefte und umfassende Freihandelszone optimal zu nutzen. „Deutschland hilft ukrainischen Herstellern dabei, ihre Standards an die Anforderungen der globalen Märkte anzupassen. Die AHK setzt sich gemeinsam mit deutschen Unternehmen aktiv dafür ein, ukrainischen Produzenten zu zeigen, wie sie auf dem europäischen Markt erfolgreich werden können“, so Andreas Lier, Präsident der AHK Ukraine.
Die vertiefte und umfassende Freihandelszone (DCFTA) wird in der Ukraine von offizieller Seite gerne als Fahrplan für den Wandel gesehen. Nicht nur ermöglicht sie Unternehmen aus der Ukraine einen besseren Zugang zu EU-Märkten, sie verhilft auch europäischen Firmen zu einem freieren Handel mit der Ukraine, was den Wettbewerb stärkt und höhere Standards setzt. Das Land hat seine Gesetzgebung an der EU ausgerichtet, um sicherzustellen, dass seine Exporteure in die europäischen Märkte vorstoßen können. Ein Programm zur Befreiung von der Visumspflicht, das Mitte des Jahres 2017 implementiert wurde, begrüßte die ukrainische Regierung als einen weiteren Schritt hin zur Integration des Landes in das erweiterte Europa.
Die Ukraine beabsichtigt, mithilfe ihrer wettbewerbsfähigen und gut ausgebildeten Arbeitskräfte, ihres Rohstoffreichtums und ihrer günstigen geographischen Lage ein konkurrenzfähiger, integraler Bestandteil der
kontinentaleuropäischen Versorgungskette zu werden. Hierbei plant man, die Exporterlöse durch eine höhere Wertschöpfung weiter zu steigern, zumal der Export elektrischer Maschinen schneller wächst als die Roherzexporte. Angesichts der Tatsache, dass der Export nach Deutschland allein im Jahr 2017 um 25 % gestiegen ist, hat die Ukraine bewiesen, dass es möglich ist, den gesamten Exportsektor erfolgreich neu von Ost nach West auszurichten.